Kolumne Auch das Kleinkind Jesu war mit seiner Familie auf der Flucht; so können wir im Matthäusevangelium nachlesen (vgl. Matthäus 2,13-15.19-23). Der Hintergrund dieses Exils war den heutigen Fällen ähnlich: Weil der Machthaber Herodes Angst hatte, dass ihm da ein künftiger Messias seine königliche Position streitig machen könnte, wurde es „über Nacht“ nötig, dass sich Maria und Josef mit ihrem Baby nach Ägypten absetzen mussten, weil Gefahr für Leib und Leben bestand. Mit nichts kamen sie in ein unbekanntes Land und bekamen dort Asyl.  Doch schauen wir auf uns Bewohner eines sicheren Landes: Es ist ein christliches Gebot andere, die sich in ihren Herkunftsorten und -ländern unschuldig in Lebensgefahr befinden, aufzunehmen. Das lehrt uns das Evangelium. Es ist und bleibt natürlich eine Herausforderung für uns, Jesu Gebot der Nächstenliebe selbstlos zu befolgen. Doch drehen wir das Ganze um: Was würden wir tun, wenn uns und unseren Lieben die Existenzgrundlage genommen wird oder Leib und Leben unmittelbar bedroht sind? Wir würden wohl auch Schutz suchen.
Gegen alle Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile scheint mir deswegen wichtig, dass wir in den Anderen immer Menschen sehen mit ihrer je eigenen Würde. Papst Franziskus sprach anlässlich seines Gebetes für die 71 Toten, die im Burgenland erstickt in einem LKW aufgefunden wurden, dass diese „Opfer eines Verbrechens gegen die ganze Menschheitsfamilie" sind. Mit Recht erschüttert uns daher so viel „tödliche“ Unmenschlichkeit. Gerade weil wir alle Kinder der einen „Menschheitsfamilie“ sind, können Lösungsansätze für das Kriegs-Flüchtlingsproblem nur dann gefunden werden, wenn wir akzeptieren, dass andere unsere Hilfe brauchen. Wir erwarten uns in einer Notlage auch, dass uns geholfen wird. Umso mehr gilt der Satz Jesu: „Was ihr den Geringsten meiner Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan!“ (Matthäus 25,40)

Pfarrer Jörg Schlechl